Die LKW-Zukunft soll in Neumünster starten

900 Mio. Euro stellt der Bund bis 2023 für die Anschaffung von Brennstoffzellen-LKW zur Verfügung. (Bild: Daimler Truck AG)

Eine Gruppe Schleswig-Holsteiner Unternehmen will in den Fuhrparks LKW einsetzen, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Die Absichtserklärung wurde nun unterzeichnet.

Der Startschuss ist bei Voigt Logistik gefallen. Im Beisein des Schleswig-Holsteiner Ministerpräsidenten Daniel Günther bekräftigten Vertreter von zehn regional ansässigen Unternehmen ihren Willen, in den kommenden Monaten und Jahren Wasserstoff-LKW anzuschaffen und in die dazugehörige Infrastruktur zu investieren. Dabei ist die Unterschrift unter der Absichtserklärung auch ein klares Bekenntnis zum grünen Wasserstoff als Alternative zum Diesel. Mit dabei sind die Handelsunternehmen Edeka Nord und Edeka AG sowie Netto mit dem Standort in Henstedt-Ulzburg, die Abfallwirtschaft MBA Neumünster, Logistikunternehmen wie Christian Carstensen aus Handewitt und Herbert Voigt, der Fachgroßhändler Henry Kruse, das Bauunternehmen Ernst Krebs (alle Neumünster) sowie Clean Logistics und der Projektentwickler Hypion. Ziel der Beteiligten ist es, den alternativen Kraftstoff in dem Bundesland zu etablieren. In einem ersten Schritt wollen sie zusammen eine Flotte von 20 Brennstoffzellen-LKW (Sattelzugmaschinen und 12- beziehungsweise 18-Tonner-Verteiler-LKW). Parallel zum Aufbau der Fahrzeugflotte soll in Neumünster eine geeignete Tankstelle errichtet werden. Insgesamt wird mit einer Investitionssumme von 16 Mio. EUR kalkuliert – inklusive der Tankinfrastruktur.

Grüne Produktion

Den Kraftstoff selbst soll die Raffinerie Heide liefern. Dort soll das sogenannte Reallabor Westküste 100 entstehen, dessen Kernelement ein 700-MW-Elektrolyseur ist, in dem aus Wasser mittels überschüssiger Windkraft Wasserstoff gewonnen werden soll. Die ersten Fahrzeuge werden laut Plan von dem Winsener Start-up Clean Logistics geliefert. Der Vertreter der Logistikinitiative Schleswig-Holstein, Holger Matzen, forderte Ministerpräsident Günther auf, gesetzliche Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten zu schaffen. Günther stellte in Aussicht, dass dies Ende September 2020 in der Wasserstoffstrategie des Landes definiert werde. Immerhin dürfen die an dem Projekt beteiligten Unternehmen bereits jetzt mit Zuschüssen vom Bund rechnen. So sieht die vor kurzem veröffentlichte Wasserstoffstrategie der Regierung vor, bis zum Jahr 2026 insgesamt 1,4 Mrd. EUR in die Förderung von Wasserstoff zu stecken. Und bis 2023 soll die Anschaffung von Wasserstoff-LKW mit insgesamt 900 Mio. EUR gefördert werden.

Hafen Rotterdam ist bereits aktiv

Ein weiteres Wasserstoffprojekt wurde Mitte des Jahres von dem französischen Gaslieferanten Air Liquide mit dem Hafenbetrieb Rotterdam initiiert. Ziel des Projektes ist es, bis 2025 in den Niederlanden, Belgien und Deutschland bis zu 1.000 LKW mit Wasserstoffantrieb auf die Straße zu bringen. Als Partner sind die NFZ-Hersteller Iveco/Nikola und VDL, die Logistikunternehmen Vos Logistics, Jongeneel Transport und HN Post sowie Brennstoffzellen-Lieferanten dabei. Entlang der wichtigsten Verkehrskorridore zwischen den Niederlanden, Belgien und Deutschland sollen etwa 25 Wasserstoff-Tankstellen eingerichtet werden. Ein konkreter Investitionsplan für dieses Projekt soll bis Ende 2022 vorliegen. Erst spät hat sich Daimler Trucks entschieden, neben batterieelektrisch angetriebenen LKW auch solche mit Brennstoffzellen auf den Markt zu bringen. Vor wenigen Tagen hat das Unternehmen in Berlin mit dem „Mercedes-Benz GenH2“ den Prototyp eines E-LKW mit Brennstoffzellenantrieb präsentiert. Dieser soll mit zwei 40-kg-Tanks für verflüssigten, tiefkalten Wasserstoff eine Reichweite von bis zu 1.000 km erreichen. Die Kundenerprobung soll 2023 beginnen, die Serienfertigung ist für die zweite Hälfte des Jahrzehnts vorgesehen.

Vorreiter Hyundai Trucks

Schneller ist der südkoreanische KFZ-Hersteller Hyundai Motor Company . Der hat Anfang Juli 2020 die ersten zehn 4x2-Motorwagen mit Brennstoffzellenantrieb (Typ „XCient Fuel Cell“) auf den Weg in die Schweiz gebracht. Die beiden Brennstoffzellen der Fahrzeuge liefern jeweils 95 kW Leistung, so liegt die Ausgangsleistung bei knapp 260 PS. Allerdings ist die Leistung des Elektromotors mit 480 PS deutlich höher. In den Kofferaufbau hinter der Kabine sind sieben Tanks integriert, in denen bis zu 35 kg Wasserstoff bei 350 bar gespeichert werden können. Damit kommt der XCient rund 400 km weit. Der Tankvorgang soll genauso einfach wie bei einem Diesel-LKW sein. Nach sieben bis zehn Minuten ist der Truck wieder voll einsatzbereit. Die ersten Fahrzeuge werden von den Logistikdienstleistern Galliker, Transgourmet und Indermühle Transport sowie von den Einzelhandelskonzernen Coop und Migros eingesetzt. Transportunternehmen können die Fahrzeuge bei Hyundai Hydrogen Mobility leasen. Da in der Schweiz für emissionsfreie Fahrzeuge keine Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) anfällt, liegen die Kosten des Brennstoffzellen-LKW pro km kaum über denen eines Diesel-LKW.

Kommt Nikola zum Zug?

Mit dem US-amerikanischen Start-up Nikola Motors, das wegen möglicher Unregelmäßigkeiten in die Schlagzeilen geraten ist, steht ein weiterer potenzieller Anbieter in den Startlöchern. Das Modell „Tre“ soll zuerst als Elektro-LKW auf den Markt kommen; die Brennstoffzellen-Variante soll 2023 folgen.

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